Michaela


Transfrau – Account Managerin

„Ich finde Frauen attraktiv und anziehend und von daher bin ich auch eine lesbische Frau.“

 

 

Andrea: Warum bist du ein Teil dieser Fotoreportage? In der geht es um lesbische Frauen?

Michaela:  Als Trans ist man ja sowieso schon mal eine Randgruppe. Eins der wichtigsten Sachen, wenn wir andere Menschen anschauen, ist tatsächlich das Geschlecht. Und jede sexuelle Orientierung hat irgendwie ein Wunschgeschlecht, mit dem er irgendwie Kontakt hat oder mit dem er auf bestimmte Weise irgendwie Kontakt hat. Dann ist es per se schon mal so, weil das äußere Geschlecht nicht eindeutig ist, das ist man schon mal außen vor. Beispiel: Wenn ich jetzt Fußball spielen würde, würde ich bei den Frauen und oder bei den Männern spielen?

Andrea: Und was ist die Antwort?

Michaela:  Gar nicht – 1. Mag ich kein Fußball. 2. Gibt es dazu noch keine generelle Entscheidung. Wann eine Transfrau wo mitspielen darf. Im Golf und im Tennis ist es glaube ich so, dass Frauen, die ihre komplette Umwandlung hinter sich haben, mitspielen dürfen

Bei mir, die noch dazwischen steht, ist es so, ich dürfte nur bei Queersportarten teilnehmen.

Andrea: Ist dann die Frage, ob du zur Frauenszene gehörst, eine ähnliche wie beim Fußball?

Michaela:  Für mich ist klar, dass ich im Rahmen des Möglichen eine Frau bin. Und ich finde Frauen attraktiv und anziehend und von daher bin ich auch eine lesbische Frau. Obwohl ich dazu sagen muss, dass es nicht so einfach ist, dazuzugehören. Ich kann nicht einfach da hingehen und sagen: Hallo, ich bin eine lesbische Frau. Man stelle sich das mal vor. Ich stelle mich dazu, am besten noch zu einer Gruppe Frauen, die schlechte Erfahrungen gemacht hat mit Männern und sage: Ich bin lesbisch. Da denke ich mir dann, das gibt es oft Irritationen. Die Menschen haben eben wirklich Probleme, mich eindeutig zuzuordnen. Und da habe ich einfach Angst, dass es als Anmaßung aufgefasst werden kann, wenn ich einfach sage, ich bin eine lesbische Frau. Wenn ich sage, ich bin meine eigene Abteilung der Lesben, damit könnte ich leben.

Andrea: Wird sich das Problem der Zugehörigkeit irgendwann ändern?

Michaela: Frauen sind generell besser im „Netzwerken“. Die können viel mehr Zusammengehörigkeit empfinden als zum Beispiel homosexuelle Männer. Das zum einen und zum anderen, der Bruch, dass wir keine Männer sind, ist so ein großer Bruch, dass es uns Transgendern schwer fällt, sich automatisch zu Frauen zugehörig zu fühlen. Das ist aber vielleicht auch was Persönliches. Weil ich immer zwischen den Stühlen bin. Als Hetero-Mann ebenso wie als Frau. Das WIR kenne ich so gar nicht.

Andrea: Wünschst du dir ein „Wir-Gefühl“ in Bezug auf die Lesbenszene?

Michaela:  Dass es das „Wir Gefühl“ so nicht gibt ist u.a. auch ein hausgemachtes Gefühl der Transfrauen, weil die auf Grund der männlichen Sozialisierung es nicht gelernt haben, emotional zu kommunizieren. Da ist so viel Defizit in der gesamten Grundprogrammierung da, dass diese Zugehörigkeit gar nicht so richtig funktionieren würde. Was ich mir wünschen würde, ist weniger eine Zugehörigkeit zur Randgruppe Lesben, sondern viel

mehr, dass es diese Gruppierungen gar nicht geben würde. Es müsste vielmehr eine gesamtheitliche Solidarität geben, was natürlich eine Wunschvorstellung ist.

 Andrea: Müssten dann nicht die, die besonders unter diesem Gruppenzwang stehen, also die Lesben, offener sein und auch solidarischer?

Michaela: In der Transszene ist das sogar noch schlimmer. Alles wird sehr stark fragmentiert und wahnsinnig stark abgegrenzt. Auch innerhalb der Gruppe. Wir sind ausgegrenzt, wir sind eine Randgruppe. Wir haben einen ganz schlechten Ruf, einen ganz schlechten Stand und dann machen wir uns gegenseitig auch noch schlecht. Bei uns geht’s viel ums Aussehen. Wer rasiert sich nicht gescheit, wer hat die Haare komisch. Alles sehr oberflächlich, vermeintlich, aber das Aussehen ist für Transfrauen sehr wichtig. Auf Partys ist das ein reines Schaulaufen. Das kann sehr gemein werden.

Andrea: Wie war eigentlich dein Werdegang bis zur Michaela.

Michaela:  Mit circa 17 Jahren war mir klar, ich bin eine Frau. Ich war nie der klassische Mann. Ich bin eine Frau im Männerkörper. Damals lebte ich in einem kleinen Dorf. Dort gab es niemanden, mit dem ich sprechen konnte. Kein Netzwerk, nichts. Ich wollte auch nicht zum Psychologen, mit denen hatte ich in meiner Kindheit schon schlechte Erfahrungen gemacht, weil meine Mutter mich dort immer hingeschleppt hat. Nun stand ich aber da, mit dem Wissen, ich bin eine Frau und konnte nichts damit anfangen. Ich habe dann erstmal so weitergelebt. Auf einer Dorfdisco ist mir dann meine jetzige Frau begegnet und als ich dann mit ihr geknutscht habe und auch entsprechend darauf reagiert habe, dachte ich: Klasse, du bist ja doch ein Mann, ich bin ja doch normal. Funktioniert ja alles. Ich mag den Körperkontakt, alles an ihr und auch wieder an mir. Gut so. Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, war für mich an der Stelle erstmal abgeschlossen und verdrängt.

Dann kam der klassische Werdegang. Studium, Hochzeit und Kinder. Ich habe aber immer wieder heimlich so Klamottenexperimente

gemacht, mich umgezogen. Mir war das aber peinlich, denn sowas macht kein Mann. Habe dann sehr lange transvestitisch gelebt. Frauensachen angezogen und mich geschminkt, danach aber die Frau wieder vernichtet, in dem ich mir das Makeup heruntergewischt habe.

Andrea: Kann man damit gut leben?

Michaela: Nein, es war ein harter Dualismus. Alle halbe Jahre kam der Konflikt wieder hoch. Ich bin eine Frau. Ich komm mit meinem Leben nicht klar. Hab dann mit Mitte 20 meinen ersten Therapieversuch gemacht, konnte mich aber nicht öffnen.

Mit Mitte Vierzig wurde es dann richtig schlimm. Ständig hatte ich die weibliche Existenz in mir im Hinterkopf. Hab dann auch meine Frau damit konfrontiert. Dann konnte ich anfangen, das aufzuarbeiten. Habe mir Freiräume in der Beziehung geschaffen, obwohl meine Frau das überhaupt nicht gut fand, um mein Frauendasein zu leben. Zwei bis Dreimal die Woche bin ich dann als Frau abends weggegangen. Das wurde dann zur Routine.

Für die Familie, den Job, meine Frau, für die Existenz lebte ich aber trotzdem weiter als Mann. Das ging gut und wiederum gar nicht. Vor einem Jahr dann im Urlaub konnte ich das Unglücklichsein nicht mehr ertragen. Ich meine ich war immer ein bisschen traurig, melancholisch und depressiv, aber das wurde so schlimm, dass ich zugeben musste, dass ich nicht mehr in der Lage war zu funktionieren. Ich bin kein Partner mehr für meine Frau. Ich wurde aggressiv allem gegenüber. Ich konnte nicht mehr der Vater sein, der ich ursprünglich vorhatte zu sein.

Dann bin ich zu einem Spezialisten gegangen. Zur Dienstältesten Therapeutin Deutschlands. Die sagte mir dann, dass meine Frau das Problem ist, die so sehr mauert, dass ich mich nicht frei entfalten kann und ich nicht die Frau sein kann, die ich sein will und bin. Tja und dann wollte ich mich trennen und als Frau leben und zwar komplett.

Andrea: Aber ihr seid noch zusammen, du und deine Frau. Was ist passiert?

Michaela:  Sie hat die ganzen Jahre immer gesagt: Wenn du eine Frau wirst, bin ich in weg. Sie hatte Angst, dass ich mich so verändere, auch körperlich, dass ich nicht mehr in der Lage bin eine normale Beziehung zu führen. Das hielt ich immer für hanebüchen. Aber ich kann ihr die Angst auch nicht nehmen. Ich habe sie ja auch immer wieder enttäuscht. Immer habe ich gesagt: „Bis hier hin und nicht weiter. Ich werde nie als Frau das Haus verlassen und so weiter“. Aber ich habe es getan, weil ich nicht anders konnte. Ich konnte nicht in diesen Grenzen leben. Das hat sich unbewusst so ergeben. Aber sie bleibt und ich bleibe bei ihr.

Andrea: Heißt, das Ganze wird einen positiven Ausgang haben?

Michaela: Meine Frau kann mittlerweile mit mir in die Öffentlichkeit gehen. Ich lebe zurzeit noch zu 50 Prozent als Mann. Auf die Arbeit werde ich auch bald als Frau gehen. Das sind die ersten Schritte schon unternommen und in ein paar Monaten gehe ich als Frau dorthin. Und ja, das wird einen positiven Ausgang haben, da bin ich mir sicher.