Ralf


Innenausstatter – Dragqueen

„Und ganz ehrlich, jetzt wünsche ich mir, ich hätte auch mal nein sagen können zu der einen oder anderen Veranstaltung.“

Andrea: Wie ist deine aktuelle Single Situation?

Ralf: Im Augenblick bin ich Single und klar hat es auch eine Zeit davor gegeben. Sieben Jahre war ich mit meinem Partner zusammen. Damals habe ich noch ganz wenig Travestie gemacht. Durch Theater und andere Geschichte bin ich dann dazu gekommen, Charleen entstehen zu lassen. Es ist auch kein Geheimnis, dass ich dazu auch einen Begleiter hatte, der mir den Weg zur Charleen geebnet hat und da immer an meiner Seite stand. Ich weiß nicht, was ihn dann so abgeturnt hat, aber nach der Wahl 2014 zur Maikönigin in diesem Jahr stand ich dann allein da.

Andrea: Du wurdest am Wahltag verlassen?

Ralf: Ja, es war eine so spannende Nacht für mich und ich wollte nach all den offiziellen Glückwünschen natürlich zu demjenigen hin, der mich die ganze Zeit begleitet hat und der mir am nächsten stand. Wir waren verabredet und kennst du das, wenn man sich nur einen kurzen Augenblick in die Augen schaut und du weißt plötzlich, das hier ist Geschichte? So ein Moment war das.  Ich erkläre mir das so, dass ich mit der Wahl plötzlich einen Status hatte, den er nicht bereit war zu begleiten. Obwohl wir immer im Vorfeld ausgemacht hatten, dass er nicht dabei sein muss, wenn ich öffentliche Auftritte habe. Was genau zur Trennung wirklich geführt hat, weiß ich nicht. Wir konnten bisher nicht darüber sprechen.

Andrea: Was sollte dein zukünftiger Partner mitbringen?

Ralf: Also ich möchte nicht als Charleen eine Partnerschaft gewinnen, sondern als Ralf. Weil der bin ich und ich will als Ralf diese Beziehung führen. Charleen ist ein offizieller Charakter.  Charleen hat auch kein Sexleben. Sie ist asexuell und ich würde niemals als Charleen irgendwas mit jemandem anfangen.

Trotzdem stehen beide Personen bei mir auf einer Stufe und sind gleichrangig. Mir ist es sehr wichtig, was der andere an Werten mitbringt. Ich bin sehr emotional und feinfühlig und ja, ich weine auch. Charleen ist ein sehr wichtiger Teil von mir und das sollte mein Gegenüber auch teilen und mich auch so wahrnehmen. Ich habe eine sehr große Schwäche für große und starke Männer. Ich weiß nicht, ob ich mit einem Mann zusammen sein könnte, der auch Travestie macht. Humor sollte er mitbringen. Ich bin ja Franke und die haben einen ganz speziellen Humor. Wein sollte er auch lieben.

Andrea: Hast du schon mal jemanden als Charleen kennengelernt und du hast ihn dann als Ralf wiedergesehen?

Ralf: Ja, am Abend habe ich  mal jemanden als Charleen kennengelernt und wir haben uns am nächsten Tag verabredet. Zu diesem Ralf Date kam er erstmal zu spät, da dachte ich mir schon, ok, steht der jetzt irgendwo und beobachtet mich wie ich so als Ralf aussehe? Als er dann kam, war es ganz nett, aber der Funke ich nicht übergesprungen. Das war ein ganz fescher Kerl und der hat dann auch gleich mit vielen Komplimenten angefangen, aber ich fürchte, ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht frei für was Neues.

 

Andrea: Wie bist du als Ralf?

Ralf: Da führe ich ein ganz einfaches Leben in Jeans und bin Innenausstatter. Das mache ich schon seit ich 15 bin. Da geh ich voll auf, weil es ein sehr kreativer Beruf ist. So hab ich auch einen Blick für das, was gut ist für Charleen. Allein, was die Klamotten betriff. Das ist nichts dem Zufall überlassen.

Andrea: Und wie hat sich Charleen auf Ralf ausgewirkt?

Ralf: Ich bin selbstbewusster geworden. Ich habe halt gemerkt, dass, wenn man nicht zu dem steht, was man ist, dann wird mal verletzbar und angreifbar. Ich habe mich selbst mehr gefunden. Ralf war immer eher der Kumpeltyp, das bin ich nicht mehr so. Ich sehe als Charleen viel mehr als ich es als Ralf getan habe. Aber langsam vermischen sich leider auch die beiden Personen, da ich als Ralf auch schon erkannt werde und deshalb achte ich sehr auf meine Außenwirkung. Ich kann als Ralf auf dem Oktoberfest z.B. nicht mehr so sein wie früher, denn dann sagen die anderen: Schau mal, das ist ja die Maikönigin. Wie die sich aufführt.

Andrea: Bedauerst du das?

Ralf: Ja, denn als Ralf bin ich nicht mehr richtig frei. Das ist jetzt so seit der Eintragung meines Künstlernamens in meinen Reisepass. Aber wo ich immer so sein wie ich bin, ist bei meiner Familie. Die wohnt weit weg. Meine Mama bewundert immer meine Schuhe.

EIN JAHR später

Andrea: Ganz klar die erste Frage von mir: Single oder vergeben?

Ralf: Single.

Andrea: Das ganze Jahr gewesen oder sind aufregende Sachen passiert?

Ralf: Es hat sich auch was angebahnt gehabt. Aber durch mein Amt als Mylady Charleen ging das nicht. Der Wunschgedanke war sehr stark da, sich auf etwas einzulassen. Habe aber gemerkt, das funktioniert nicht.

Andrea: Weil du mit der anderen Sachen zu viel zu tun hattest?

Ralf: Ja. Das erste Jahr war schon krass. Im zweiten Jahr dachte ich mir, jetzt machst du mal alles, was du im ersten Jahr nicht geschafft hast und das waren so viele Einladungen. Und das war dann immer die Entscheidung. Entweder geht er mit oder er wartet, bis ich dann irgendwann wieder zu Hause bin. Ich  muss dazu sagen, dass es ein Typ aus einem anderen Fetisch war. Nämlich Leder. Und wenn derjenige nicht zu 100 Prozent hinter der Sache steht, geht das eben nicht.

Andrea: Hast du ihn als Ralf oder als Milady Charleen kennengelernt?

Ralf: Als Charleen. Das war ein tolles Gespräch. Aber dann dachte ich mir gleich. Der muss auch mein anderes Extrem, den Ralf kennenlernen. Denn als Charleen bin ich nun mal anders. Viel weiblicher auf jeden Fall. (lacht) Und so waren wir in Köln und das war super. Leider wohnt er nicht in München und so haben wir ausgemacht, dass wir uns eben an den Wochenenden sehen. Und ich dachte mir, ok, skypen, telefonieren und SMS, das geht schon irgendwie. Dann war ich aber schnell in so einem Hamsterrad. Was mache ich? Ich habe zwei Jobs und die Milady Charleen. Er war zwar manchmal mit auf Veranstaltungen, aber ich bin da immer im Beschlag. Und ich wollte da nicht als Ralf abends weggehen. Ich hab gesagt, ich mach die Charleen das Jahr oder die zwei und dann mach ich das.

Andrea: Ok, also Charleen stand für dich an erster Stelle.

Ralf: Ja. Und schnell kam natürlich die Frage auf. Hat das denn überhaupt ein Sinn hier? Ich meine alle Überstunden und Wochenenden gingen für Charleen drauf. Es waren wenige Wochenenden, an denen ich dann mal weggefahren bin zu ihm. Aber das war ihm zu wenig. Er meinte dann schon: Das ist ja ein Amt, was du bekleidest.

Andrea: Aber das war ja endlich oder?

Ralf: Ja, das habe ich auch gesagt, wiedergewählt werden kann ich nicht, das ist schon mal sicher. Aber es war mittendrin und er hätte ein halbes Jahr warten müssen. Schau mal, allein das Oktoberfest. Ich war 14 Mal in einem anderen Dress auf der Wiesn.

Andrea: Also hast du dich gegen das „Verknall-sein“ entschieden.

Ralf: Ich bin zu diszipliniert dafür. Auch im Beruf. Wenn dann mach ich das zu 100 Prozent. Ich wusste das vorher. Wenn ich gewählt werden, dann ziehe ich das durch. Aber jetzt, die Krone ist weg und die Schärpe auch, seh ich das Ganze mit Abstand und realistischer. Das war mir damals nicht möglich.

Andrea: Bist du traurig darüber?

Ralf: Ja. Es war schön, jemand neben sich zu haben. Auch um sich zu neutralisieren. Aber du merkst auch, so ganz loslassen im Alter kann man nicht. Man ist schon arg eingefahren. Und du fragst dich dann. Willst du das? Wo musst du Federn lassen? Und ich hätte viele Federn lassen müssen. Ich hätte Milady Charleen und alles andere um 50 Prozent runterfahren müssen. Und ganz ehrlich, jetzt wünsche ich mir, ich hätte auch mal nein sagen können zu der einen oder anderen Veranstaltung. Es wäre vielleicht auch leichter gewesen, wenn wir zusammen in einem Ort gewohnt hätten.

Andrea: Ja und wie ging das dann zu Ende?

Ralf: Ja, es war so: ich wäre zwischen zwei Terminen zu ihm ins Allgäu gefahren, hätte aber um 5 Uhr morgens schon wieder los gemusst, weil ich Frühdienst im Hotel hatte. Es wäre enormer Stress gewesen, aber ich hätte es gemacht, weil ich ihn auch sehen wollte. Aber da kam dann: Du, dann lassen wir das heute Abend mal. Und mir tat das weh. Ich hab immer versucht, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich bin dann ins Nil auf ein Bier und fühlte mich schon komisch und bin auch im einem ganz anderen Gefühl als sonst eingeschlafen und aufgewacht als würde mir was fehlen. Das habe ich ihm auch gesagt und er sagte nur, so hätte er das nicht gemeint. Wir wollten dann noch mal in Ruhe reden, wenn wir uns wiedersehen an einem anderen Wochenende. Aber das kam nicht zustande.

Andrea: Oh ok.

Ralf: Ja und er hatte die Frage gestellt, ob das Ganze einen Sinn macht. Tja und das wars dann. Ich habe dann einfach noch mehr gearbeitet. So eine Art Flucht vom Verletzt sein.

Andrea: Habt ihr noch Kontakt?

Ralf: Ja und wir haben uns sogar vor kurzem auf dem Hans Sachs gesehen. War spannend. Aber es ist rum ums Eck. Obwohl ich jetzt Zeit hätte. (lacht) Aber es tut sich ja auch gerade wieder was. Deshalb musste ich innerlich über deine erste Frage schmunzeln. Es kribbelt gerade was, aber vorsichtig.