Laila


Projektmanagerin

„Ich bin die Laila, hab einen Bart und stehe auf Frauen.“

Andrea: Wie kommt es, dass du einen Bart hast? Ist der freiwillig da?

Laila: Mit 16 Jahren hat es angefangen, dass mir Koteletten gewachsen sind, aber eher als Flaum. Das wurde immer mehr und ich bin mit meinen Eltern zum Arzt gegangen. Es wurde festgestellt, dass der  Testosteronwert viel ist höher als normal. Ich habe mich entschieden den Bart stehen zu lassen. Das war nicht einfach, vor allem nicht in der Schule. Ich habe schon immer gemerkt, dass ich irgendwie anders bin, wusste zwar noch nicht wie, aber irgendwie anders. Die vielen Freunde blieben da natürlich aus.

Andrea: Aber versucht man nicht, wenn man schon wenige Freunde hat, unauffällig zu sein?

Laila: Relativ lange habe ich überhaupt kein soziales Umfeld in der Schule und war so der klassische Außenseiter. Ich merkte aber, mit meinem Bart errege ich Aufmerksamkeit und ich „erscheine“ irgendwie. Das fand ich gut.  Und mir hat meine beste Freundin da auch viel weiter geholfen, die war so die Einzige damals. Über sie habe ich viele Leute kennengelernt. Langsam hat sich ein Bekanntenkreis aufgebaut. Ich habe mehr Selbstvertrauen bekommen und positive Resonanz.

Andrea: Was haben deine Eltern gesagt?

Laila: Meine Mutter hat sich anfangs schwer getan. Aber das hat sich auch schnell gegeben. Mein Vater war schon immer völlig cool. Der hat mich auch auf meine Homosexualität angesprochen. Was denn da wäre mit meiner „besten Freundin“. Ich habe das natürlich verneint. Am nächsten Tag hatte ich dann ganz viele Büchern auf dem Tisch. U.a. mit dem Titel „Wie gehe ich damit um, wenn mein Kind homosexuell ist. (lacht)

Andrea: War es nicht schwer mit dem Bart einen Job zu bekommen?

Laila: Ich hatte bisher nur ein einziges Vorstellungsgespräch und habe gleich eine gute Chefin erwischt. Sie hat das Innere von mir gesehen und nicht das Äußere. In meiner Arbeit telefoniere ich viel und schreibe Emails. Wenn ich die dann treffe, wünsche ich mir immer, ich hätte eine Kamera in der Stirn.

Andrea: Was waren so die krassesten Reaktionen auf deinen Bart?

Laila: Als erstes ist es immer Sprachlosigkeit und die Leute sind total verdutzt. Dann ist es immer ganz interessant zu sehen, was passiert. Die Frauen sind eher neugierig, forschend und hinterfragend. Die meisten gehen positiv damit um. Die finden gut, dass ich so bin wie ich bin.

Bei Männern ist es oft schwierig.  Die können damit nicht umgehen und fühlen sich bedroht. Sie sehen mich als Konkurrenz, obwohl ja Frauen nie in wirklicher Konkurrenz zu Männern stehen. Aber ich irgendwie dann schon.

Andrea: Du wirst bestimmt oft gefragt, ob du ein Mann sein willst. Wie reagierst du darauf?

Laila: Ich möchte kein Mann sein. Ich hatte auch nicht das Gefühl im falschen Körper geboren zu sein. Ich bin eine Frau – will auch Frau sein, ich stehe aber auch auf Frauen. Mir ist mit meinen 29 Jahren noch nie ein Mann über den Weg gelaufen, der mich sexuell angesprochen hat, Frauen sind einfach ein bisschen mehr Leidenschaft. Ich bin die Laila, hab einen Bart und stehe auf Frauen.

Andrea: Welche Konfliktsituationen sind in deinem Leben immer wieder da.

Laila: Das sind ganz klar Alltagssituationen.

Überall werde ich in der Öffentlichkeit damit konfrontiert. Muss meinen Ausweis zeigen an der Kasse. Beim Arzt werde ich immer wieder gefragt, wer ich denn bin?

Und im Ausland ist es manchmal recht heikel. Meist in den Ländern, wo viele Moslems leben. Teilweise stoße ich dort auf richtige Aggressivität. Wenn ich mir denke, ich wäre in Marokko

aufgewachsen, wo ich ja herkomme, dann wäre ich jetzt längst verheiratet und hätte Kinder.

Andrea: Man könnte dem ja auch aus dem Weg gehen. Schon mal überlegt, den Bart einfach wegzurasieren?

Laila: Nein eigentlich nicht. Für mich hat sich die Frage bisher nicht gestellt, ob ich einen anderen Lebensweg einschlage. Klar, gibt es Tage, an denen es mir nicht gut geht. Dann kann ich da nicht so einfach drüber stehen. Dann bin ich schon mal gereizt und reagiere provokant zurück. Aber meistens beschäftigte ich mich nicht damit, wie mich andere ansehen. Ich bin da einfach sehr offen und tolerant und habe bisher sehr gute Lebenserfahrung gemacht. Die, die mich nerven, kann ich so ganz gut ignorieren. Oft wurde ich auch gefragt, warum ich so provoziere und was ich damit erreichen will. Ich bin dann immer ganz verdutzt darüber, weil das nie meine Absicht ist.

Andrea: Meidest du bestimmte Orte?

Laila: Ja, im Sommer das Schwimmbad. Wenn es mir nicht gut geht, dann gehe ich da nicht hin.

Und die Klosituation. Da gibt es immer Stress. Ich gehe abends nur noch aufs Männerklo, wenn ich unterwegs bin. Auf dem Frauenklo werde ich immer angemacht. Manche Frauen drohen mir auch.

Ich wurde auch schon von der Security abgeführt. Auf der Wiesn geh ich immer aufs Männerklo. Nur manche Zelte haben ausschließlich Pissoirs, das wird’s dann echt schwierig.

Aber es gibt auch Vorteile. Beim Schwarzfahren gebe ich einfach einen anderen Namen an. Aber das ist eher die Ausnahme.

Andrea: Wie sieht es aus mit der Szene? Bist du dort eine Randgruppe?

Laila: Ich bin nie wirklich in der Szene unterwegs. Ich werde da nicht gut behandelt als Randgruppe in der Randgruppe. Die Szene ist eine Katastrophe. Dort geht es meist recht aggressiv zu. Da grenzt man sich auch gerne selber mal aus. Frauen in der Szene

haben viel mehr Angst vor Fremden als andere. Das macht kein Spaß.

Andrea: Wie würdest du dich selber beschreiben?

Laila: Ich habe gehofft, die Frage stellst du nicht. Ich bin ein sehr offener, wahnsinnig kommunikativer, lebenslustiger – und bejahender Mensch. Ich bin sehr sensibel und emphatisch. Unglaublich harmoniebedürftig.

Andrea: Das sind alles Eigenschaften, wo man sagt, man sollte keinen Bart tragen oder?

Laila: Naja, ich kann aber auch ganz schnell auf 180 sein, aber mir hilft eigentlich auch die ruhige Art, aber irgendwann ist auch Schluss. Dann kann ich auch zum Hooligan werden. Liebenswert, aber Hooligan.

Andrea: Wo bist du in 10 Jahren?

Laila: Da habe ich eine Bar in Andalusien. Koche und alle Freunde kommen mich besuchen und ich bin überall tätowiert. Da kommt dann aber auch meine Heimat Marokko durch. Ich brauche viel Wärme.

Andrea: Und was wünscht du dir für die Szene?

Laila: Ich wünsche mir, dass die Toleranz, die von der „normalen“ Gesellschaft gewünscht wird, auch von der Szene zu 100% Prozent zurückgegeben wird. Das vermiss ich tatsächlich manchmal. Leben und leben lassen! Das wünsche ich mir für alle. Denn somit werden Schichten und Randgruppen aufgehoben.