Schwester Felicitas


Seit drei Jahren im Kloster

 „Ich hab mich innerlich abgeseilt.“

Andrea: Wolltest du schon immer ins Kloster?

 Schwester Felicitas: Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich war zwar bei den Ministranten, aber da haben wir eher das Feiern gelernt als das Beten.  Das hat alles vor sechs Jahren angefangen. Da ist meine Oma gestorben und da habe ich angefangen zu fragen: „Lieber Gott, gibt es dich? Gibt es dich wirklich?“ Tja und da kam so eine Art Antwort. Ja – da gibt es mehr. Und klar, das ist jetzt kein Grund ins Kloster zu gehen, aber richtig kritisch wurde es als bei mir die Frage aufkam, kann man sich in Gott verlieben?

Andrea:  Ok – kann man das mit einer Popstar Liebe vergleichen?

 Schwester Felicitas: Nein, sie ist nicht fiktiv. Beispiel: Wenn ich mit Justin Timberlake spreche und er ist nicht, kriegt er das nicht mit. Aber wenn ich mit IHM spreche, weiß ich sehr wohl, dass er das mitkriegt. Also da war jetzt auch keine Erscheinung, die im Raum stand, sondern es ist das Wissen darum, es gibt ein DU.

Andrea: Und dann? Wie bist du hier gelandet?

 

Schwester Felicitas: Ich habe damals überhaupt noch keine Kloster gekannt. Ich war bei einem Musikworkshop und dort war ein Pater, der mir sehr zur Seite stand als meine Oma gestorben ist. Ich habe viel darüber gelesen und bin auch wieder öfter in die Kirche gegangen. Mein Freund damals hat das schon ein bisschen komisch beäugt und mit ihm ging das dann auch den Bach herunter. Dann hab ich im Internet geschaut. Der allerletzte Link, war dieses Kloster hier. Hab mich in den Zug gesetzt. Habe aber niemanden was gesagt. Eine Woche war ich dann hier, bin auch wieder gefahren, aber es hat mich nicht mehr losgelassen. Aber ich bin nochmal hin, weil ich eigentlich mit der ganzen Sache abschließen wollte, so von wegen – Ich geh doch in kein Kloster. Aber es kam dann doch anders.

Andrea: Bist du Single?

 Schwester Felicitas: Aus weltlicher Sicht, ja. Kirchlich nein. Vielleicht physisch gesehen, ja. Aber innerlich und von Herzen gesehen her nicht. Gott ist mein Freund jetzt.

Andrea: Und bald legst du deine Profess ab. Bist du dann verheiratet?

 Schwester Felicitas: Ja, so kann man das am ehesten vergleichen.

Andrea: Aber wie kann man sich denn in jemanden verlieben, den man nicht sieht?

 Schwester Felicitas: Also da tu ich mich immer noch schwer.  Auf der einen Seite weiß ich, dass jemand da ist, aber auch der anderen Seite fehlt es mir oft, dass mich jemand in die Arme nimmt.

Andrea: Wie gehst du damit um?

 Schwester Felicitas: Naja, es gibt diese Momente, wo ich will, dass mich jemand in die Arme nimmt und damit meine ich nicht Sex. Und dann denke ich, ok, was mache ich jetzt damit? Natürlich kann ich dann wegrennen und raus hier, aber vielleicht kann man das Gefühl auch umwandeln in etwas anderes. Aber ich weiß nicht, was nächstes Jahr ist. Klar, wenn zwei Menschen heiraten, wissen sie auch nicht, ob das hält.

Andrea: Was warst du vor dem Kloster für ein Typ?

 Schwester Felicitas: Also Freunde habe ich einige gehabt. Und ich bin für mein Leben sehr viel gereist. Alle europäischen Städte und Amerika. Ich habe das Leben genossen. Aber jetzt geht das nicht mehr. Ich kann nach Rom, aber das ist dann eher eine Studienreise. Aber ich komm mal raus.

Andrea: Wie ist der Kontakt zu deinen alten Leuten?

 Schwester Felicitas: Inzwischen geht es wieder.  Ich weiß noch wie ich in Wien in einem Café saß und all meine Schminksachen mit dabei hatte. Ich habe die Tüten auf den Tisch gekippt und zu meinen Freundinnen gesagt, sucht euch was aus, ich geh ins Kloster. Die haben gedacht, ich spinn.

Für meine Eltern war es auch nicht leicht. Ich bin ja ein Einzelkind. An meinem 25. Geburtstag zu Schweinsbraten und Knödel hab ich ihnen gesagt, ich geh ins Kloster. Mein Vater hat überhaupt nichts mehr gesagt. Meine Mutter hat mit Tränen in den Augen gesagt, dass, wenn ich damit glücklich bin, ist sie es auch und das rechne ich ihnen hoch an.

Andrea: Wie wird das für dich sein in einem Jahr, wenn du dann Gott heiratest?

 Schwester Felicitas: Naja – eigentlich kommt ja nach der Heirat die Hochzeitsnacht, also physisch. (Pause) Also der fachliche Terminus ist „bräutliches Leben“, sprich ein Leben in der Erwartung und deswegen sagt man auch zu einer Schwester nicht Frau von Gott, sondern Braut Christi. Heißt, ja, ich weiß, ich gehöre dir (Gott), aber ich warte, was du vorhast.

Andrea: Aber wie lebt ihr die Zweisamkeit? Auf ein Glas Wein abends in ein Restaurant könnt ihr ja nicht gehen.

 Schwester Felicitas:  (schweigt lange). Wenn du einen Freund hast, der lebt im Ausland, dann weißt du ist er da, aber nicht physisch. So ähnlich ist das. Dann rede ich mich ihm. Eine Antwort kommt da natürlich nicht, aber ich merke es im Inneren. Es ist eine Art Gewissheit. Die ist dann auch nicht immer da, wenn es mir schlecht geht, aber auch diese Phasen gehen vorüber.

 Andrea: Das würden jetzt bestimmt viel fragen: Reicht dir das die nächsten 40 Jahre hier im Kloster? Wenn man immer nur die Braut bleibt?

 Schwester Felicitas: Ja, es bleibt die Hoffnung, dass am Ende alles gut wird und es bleibt ein Leben in der Erwartung. Ewig lebt man ja nicht.

 Andrea: Was hat sich hier drinnen für dich geändert?

 Schwester Felicitas: Ja, ich werde jetzt Kirchenmusik studieren. Wofür ich total dankbar bin. Mir fehlt das Shoppen. Klamotten brauche ich aber nicht mehr. Und mir fehlen die Treffen in den Wiener Kaffeehäusern. Das geht mir ab – das gesellige. Man ist hier viel allein, vor allem abends.

EIN JAHR später

Interview Schwester Felicitas

Andrea: Du hast noch deinen weißen Habit an. Wolltest du nicht die ewige Profess ablegen und damit quasi auf ewig hier ins Kloster?

 Schwester Felicitas: Ja, die wäre dieses Jahr. Aber ich mache gerade eine Ausbildung, wo ich jeden Tag weg bin. Also ich pendele jeden Tag und fahre mit dem Auto eine Stunde zur Schule und wieder zurück. Und da ist es schwierig für mich zu sagen, ich bleibe für immer hier, wenn ich doch so wenig da bin. Es ist schon eine große Umstellung. Das Leben da draußen und das Leben hier drinnen. Das ist ein Wandel zwischen zwei Welten.

Andrea: Magst das kurz beschreiben, was diese Eindrücke von der Welt da draußen mit dir gerade machen?

 Schwester Felicitas: Für mich war zum Anfang lustig zu sehen, dass noch ganz viel von mir da ist. So von früher das Studentenleben und das es mir schon gefallen würde mit den Leuten auch wegzugehen, was jetzt ja aber nicht mehr geht. Das fiel mir am Anfang schon nicht leicht zu sehen, dass die anderen nach der Schule ausgehen und ich fahre jetzt ins Kloster.

 Andrea: Haderst du jetzt mit dir, ob du hier bleibst? Ist das eine Krise?

Schwester Felicitas: Ich glaube, die ist schon rum. Das waren die ersten fünf Monate. Das waren die Gedanken schon da, wie schön das ist, wieder draußen zu sein. Wieder normal mit den Leuten umzugehen. Das war schon schwierig.

Andrea: Wie bist du damit umgegangen? Hast du es jemanden erzählt?

 Schwester Felicitas: Ich glaube, ich war in der Gemeinschaft recht unausstehlich. Ich hab mich innerlich abgeseilt. Meine Schwestern und die Äbtissin haben dann gesagt, es ist schön, dass du hier bist. Wir brauchen dich und überlege dir, wo du hin willst. Und ohne die wäre ich nicht mehr da, glaube ich.

Andrea: Was hat dich dann letztendlich bewogen hier zu bleiben?

 Schwester Felicitas: Der Alltag und wie ich ihn einfach weitergelebt habe. Keine Entscheidung sofort treffen. Die Profess verschieben, denn das Jahr kann ich jetzt noch gut gebrauchen.

Andrea: Wie haben denn deine Mitschüler auf dich reagiert?

 Schwester Felicitas: Zum Anfang war das schon ein Abtasten. Wie ist die so drauf, kann man mit der reden und ist die normal? Das hat sich aber ganz nett eingependelt. Ich bin ja recht offen und kommunikativ.

Andrea: Davon bekommt die Welt da draußen aber nicht viel mit.

 Schwester Felicitas: Ich weiß, aber wir Schwestern sind hier alle offen und kommunikativ. Wir leben halt hinter dicken Mauern. Das ist ein Jahrhunderte altes Bild aus einer Zeit, in der man eben noch nicht ins Kloster durfte und die hier leben niemand gesehen hat.

Andrea: Letztes Jahr ging es ja auch vorrangig um Gott und dass du dich in ihn verliebt hast und deshalb hier im Kloster bist. Hat dich auch das bewogen hier zu bleiben?

 Schwester Felicitas: Ja. Aber klar hab ich mir darüber Gedanken gemacht. Ob man auch im Kloster leben muss, wenn man religiös leben will. Aber ich glaube, das ist der Platz, wo ER mich haben will, aber sicher bin ich mir nicht. Klar ist das schön, mal in der Freistunde in einer Bücherei stöbern zu gehen, aber das ist nicht alles. Das ist nicht der letzte Sinn der Sache, dass ich wieder alles machen kann, was ich vermisse. Das ist irgendwie ein alter Lebensabschnitt, aber es ist nicht wichtig. Das ist Wehmut.

Andrea: Ich glaube, das Loslassen ist ein langer Prozess oder?    

 Schwester Felicitas: Ja, das muss man lernen. Das war meine Lehrstunde im letzten Jahr.

Andrea: Ist die Krise damit überwunden? Wie geht es dir jetzt?

Schwester Felicitas: Überwunden ist ein gutes Wort. Ich weiß es nicht. Ich lasse mich auf das, was jetzt ist und was kommt ein. Es wird noch spannend, glaube ich.

Andrea: Wie hilft dir da die Partnerschaft mit Gott weiter?

 Schwester Felicitas: Ohne die geht es nicht. Wenn es absolut nicht mehr weiter geht, dann sag ich schon: „Hey du. Mach was, weil ich kann nicht mehr.“ Ich rede halt ganz normal mit ihm. Mir war halt oft nach wegrennen, aber durch die Mithilfe meiner Gemeinschaft bin ich da gelassener geworden und natürlich der Blick nach oben.

Andrea: Also das nächste Jahr noch und danach ist alles offen?

 Schwester Felicitas: Ja, da ist alles offen.

Andrea: Und Familie? Denkst du manchmal über Kinder nach?

 Schwester Felicitas: Also gerade nicht. So wie es gerade ist passt es. Aber sicher, wenn ich draußen wäre, hätte ich mit Sicherheit eine.

Andrea: Und andere Männer? Kannst du für ewig die Braucht Christi sein?

Schwester Felicitas: (überlegt lange) Hört sich vielleicht blöd an, aber so wie es gerade ist, passt es. Die Richtung gerade stimmt. Ich hab das ja gemerkt in der Schule, da sind ja auch andere Männer. Das ist total schön mit denen, aber nein, das brauche nicht. Ich kenn mich ja, wenn ich verliebt bin. Aber die Frage ist, was davon ist mein Ego und was ist mein Herz. Ich wünsche mir einfach mehr Ruhe und dass das Vertrauen zu IHM weiter wächst.

Andrea: Du musst mir eins versprechen. Wenn du das Kloster verlässt, ruf mich bitte an.

 Schwester Felicitas: Okay mach ich.

(Anmerkung: Schwester Felicitas wird im August die ewige Profess ablegen und damit für immer im Kloster bleiben.)